Katharinas Corona-Hack: Kinder mit einbeziehen und essen. Viel essen. Das schluckt Zeit.
#DeinHack-Interview mit einer Dreifachmutter aus Paderborn
Mutter Katharina hat uns erzählt, wie ihr Alltag seit Corona so aussieht und welche Tipps sie für andere hat. Wie man Quarantäne mit einer Reihe an Kindern in einem kleinen Reihenhaus in Paderborn auf die Reihe kriegt. Oder manchmal einfach nur abreihern kann. Am Ende wird alles gut.
Katharina wohnt mit drei Jungs und ihrem Mann – beide Freunde aus Schultagen, beide 38 – im (mittlerweile für sie) ganz wunderbaren, beschaulichen, gutmütigen und sehr entspannten Paderborn. Nach dem Umzug taten sie sich erst schwer mit der Stadt, aber jetzt lieben sie diese und ihr kleines, feines, vielleicht etwas spießiges, aber sehr gemütliches Reihenmittelhaus mit Terrasse und ein bisschen Rasen. „Für ’ne Schaukel reicht’s“, sagt Katharina. Schule und Kindergarten sind fußläufig innerhalb von fünf Minuten zu erreichen. Der Vater ist Arzt im dortigen Krankenhaus und sie leitet eine Autismus-Ambulanz, was sich für ihre Handhabe im Corona-Camp zuhause noch als bedeutsam erweisen würde. Ihre eigenen Kinder sind 4, 8 und 11,5 Jahre alt. Die Komma 5 hinten dran seien wichtig, sagt die Mutter, „weil die für deutlich präpubertäres Verhalten irgendwie mit verantwortlich sein müssen.“
Kinderhack: Euer familiäres Set-Up liest sich doch ganz wunderbar!
Katharina: Ja, oder? Klar gibt es Problemchen, die wohl alle Familien so mit sich bringen oder vor sich her schieben, aber eigentlich und wirklich in mehrfacher Hinsicht haben wir sehr, sehr viel Glück gehabt. Corona hat uns dann trotzdem erwischt. Also nicht wirklich. Noch nicht.
Kinderhack: Erzähl…
Katharina: Na, es begann am Donnerstag vor zwei Wochen. Jungs im Garten, Männe pünktlich aus dem Krankenhaus zurück. Eine gute Voraussetzung für einen ruhigen Abend. Eine Kollegin (sie hatte sich zwei Tage vorher mittags krank aus dem Dienst verabschiedet – leichte Halsschmerzen) schrieb. Nett. „Hast du schon einen Anruf bekommen?“
Allein dieser Satz. Da bleibt ja momentan nicht viel an Luft zur Spekulation. Schwanger… oder… Ernsthaft? Sie hatte es – aus Berlin. Eine Stunde später dann der Anruf vom Gesundheitsamt. Offiziell. Zwei Wochen seit dem letzen Kontakt in Quarantäne. Mit Sohnemann (weil Kita pädagogische Tage hatte, musste er die Woche mit ins Büro und hatte dort direkten Kontakt. Guter Zeitpunkt).
Helle Aufregung. Darf der Mann, Papa und Arzt wieder zurück ins Krankenhaus? Was ist mit den anderen Jungs? Schule? Fußball? Wann kommt unser Test und irgendwie, kratzt mein Hals nicht auch? Gefühlte zehn Telefonate am Tag mit dem Gesundheitsamt. Was genau heißt jetzt Quarantäne?
Regelungen waren nicht klar. Wischiwaschi, Auslegungssache. Ende vom Lied: Arzt bleibt zuhause, bis ein Testergebnis vorliegt. Jungs können, sollen aber vielleicht eigentlich lieber nicht in die Schule. Bleiben also auch zuhause. Ja. Schön!
Kinderhack: Klingt erstmal nach Stress. Und wie sah zunächst euer Alltag aus? Die Quarantäne ist ja härter als „nur“ die Schul- und Kitaschließung.
Katharina: Die folgenden Tage waren eine Aneinanderreihung von langweiligen, regnerischen, trüben, angespannten Sonntagen. Und ich hab‘ schon als Kind Sonntage gehasst! Wobei, da konnte oder musste man wenigstens ’ne Runde in den Teuto – spazieren gehen. Das ging nun nicht. Obendrein war ich angeschlagen. Irgendwie. Nicht doll, aber ein bisschen. Oder vielleicht ein bisschen viel in sich hinein gefühlt?
Handfeste Prügelei. Ist an der Tagesordnung. Jetzt gerade noch häufiger.
Ich bin ein großer Freund von Struktur. Schon am ersten Tag hatten wir einen Plan für die Kinder (die NRW-weite Entscheidung die Schulen zu schließen, fiel an eben diesem Tag und erleichterte die Durchsetzung vor den Jungs).
Kinderhack: Ich hab‘ deinen Plan ja vor mir. Darf ich mal? 8:00 – Sport.
Katharina: Gemeinsam – jaja. Muttern darf jetzt nicht mehr raus. Sie wird in zwei Wochen aussehen wie das Hängebauchschwein vom Demeter-Hof, wenn sie jetzt nicht ein bisschen was tut.
Kinderhack: 8:45 – Anziehen
Katharina: Das war, lustigerweise, an bisher allen Tagen die größte Diskussion. Die Notwendigkeit, sich aus dem Schlafanzug bzw. dem Jogger zu schälen, um dem Tag ein bisschen Schluff zu nehmen.
Dann 09:00 – Schule, Lernen, Hausaufgaben. Da kann ich nun nicht maulen; die sind beide fit und selbständig und sehr ehrgeizig; das lief bisher gut.
Und an drei Tagen die Woche abends für 30 Minuten Kinderyoga. Und so weiter.
Kinderhack: Und dann ging’s zur Praxis über.
Katharina: Jaaaaaa, dann startet der erste Tag, die erste Stunde ist schnell rum. Und dann? Vielleicht eine halbe Stunde Lego? Oder Lesen? Gitarre spielen?
Hunger, Langeweile, Durst, noch mehr Langeweile und leider leider, schaffen alle drei es kein bisschen, aus ihrer Langeweile heraus, produktiv zu werden. Oder, sie haben zu viele Asterix-Comics gelesen und die Rollen falsch verteilt. Das ist dann nämlich oft das Ende vom Lied. Handfeste Prügelei. Ist an der Tagesordnung. Jetzt gerade noch häufiger.
Wohin auch mit der Energie? Zweimal die Woche Fußballtraining wollen ersetzt werden. Wildes Rumgeschiebe über den Wohnzimmerteppich, gegenseitiges Behakeln, rückwärts vom-sofa-runterhängen-lassen. Bis ich schreie. Meistens ich. Mein Nervenkostüm ist nicht sehr stabil dieser Tage.
Kinderhack: Und dann kommt endlich das ersehnte Testergebnis.
Katharina: Ja, an einem Samstag, sechs lange Tage nach Abstrich: beide negativ. Papa kann wieder arbeiten. Ich bin allein mit der Horde. Hab ein bisschen Angst. Ich muss auch wieder was schaffen. Da seit dem 17. alle Bildungseinrichtungen geschlossen sind, sitz‘ ich im Homeoffice. Koche einen Monster Becher Kakao und sitze mit dem Kleensten am umfunktionierten Esszimmertisch. Die Großen haben „Schule“. Schreibe und schreibe und füge ein und telefoniere und noch ne Mail und wieder ne Tabelle. Der kleine Mann ist extremst entspannt. Ich hör nur mit halbem Ohr hin. Irgendwas mit Sam und Elvis, aber Ninjas scheinen auch dabei zu sein. Schaffen, schaffen, wer weiß, wie lange das da oben gut geht. Irgendwann guck ich ihn doch an. Kakaobart. Ich könnt ihn knutschen. Grinst schief, schiebt die Brille zurecht. „Spielen wir was?“ Das war der entspannteste Tag seit 11 Tagen. Allein geschafft!
Am meistens macht mir dieses Ununterbrochen zu schaffen. Ansprechpartnerin sein, den ganzen Tag!
Heute (24. März, Anm. Kinderhack) war die 14-tägige Quarantäne endlich aufgehoben. Wir waren draußen, spazieren, ab in die kalte Sonne, allein natürlich, wobei zu viert nicht wirklich allein ist. Wir finden uns neu. Spannend und Anstrengend.
Kinderhack: Was ist die größte Herausforderung in dieser Zeit?
Katharina: Am meistens macht mir dieses Ununterbrochen zu schaffen. Ansprechpartnerin sein, den ganzen Tag! Und nicht zu wissen, wie lange dieses Ununterbrochen noch sein wird. Ich freu‘ mich auf den Wein mit der Freundin, das Treffen mit den Großeltern und der eigenen Schwester, auf ’nen Bummel durch die Stadt und ein entspanntes Eis auf dem Rückweg vom Markt. Aber solange das nicht geht, bleiben wir daheim. Machen wir halt einfach.
Kinderhack: Was ist – nach dieser ersten, teils komplett eingeschlossenen Zeit – euer ganz persönlicher Kinderhack?
Katharina: Die Einbeziehung in den Alltag. Das klappt übrigens ganz prima. Leider nicht freiwillig, aber mit Bestechung. Wir haben den dritten Harry Potter Film hier liegen und sie müssen Münzen sammeln. Bei 25 Münzen gucken wir zusammen den Film (also ohne Kind Nummer drei natürlich). Münzen gibt’s für die ausgeräumte Spülmaschine, das gesaugte Zimmer, die zusammen gelegten Socken oder den rausgetragenen Müll.
Essen. Viel essen. Das schluckt Zeit.
Und ich bin ja wie gesagt ein großer Freund von Struktur. Von Plänen. Ein bisschen bringt das die Arbeit mit autistischen Menschen mit sich, ein bisschen gibt es auch mir mehr Sicherheit. Lässt den Tag weniger dahinfließen.
Und das mit dem Schreien und Nervenkostüm stimmt auch nicht ganz. Wenn man schöne Dinge zusammen macht, zum Beispiel. Und wir haben schöne Dinge gemacht.
Kinderhack: Was habt ihr gemacht? Zähl‘ mal welche auf.
Katharina: Okay:
- Blumen und Gemüse in kleine Pflanztöpfe gesät
- Viele, viele, viele Gesellschaftsspiele gespielt
- Kickerturniere bestritten
- Uns verkleidet
- Zusammen gekocht, Brot gebacken, Sauerteig angesetzt und wieder weggeschmissen
- Briefe für Oma und Opa geschrieben
- mit den Onkels und Tanten gefacetimed
- gemeinsam das Haus geputzt
Und Essen. Viel essen. Das schluckt Zeit.
Wir befragen andere Eltern zu ihren Corona-Hacks. Hack’ste mit? Dann schreib‘ uns an info@kinderhack.de! Hier findest du die Fragen als Word-Dokument: Kinderhack-Interview
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