Kinderhack

Ins Bett bringen – Teil 2: Die „Bin weg“-Fake-Show

Vater hat Kind in den Schlaf begleitet, Mutter hat vermutlich Self-Quality-Time im Wohnzimmer gehabt. Unmöglich bei euch? Kind schläft nur bei Mutter ein, wenn diese zuhause ist?

Nur einer darf

Wer darf das Essen bringen? Beide. Klar. Wer darf den Buggy schieben? Beide. Auch logo. Wer darf wickeln? Beide. Wow, sehr gut. Wer darf ins Bett bringen? Nur Maaaaaaama!

Ich hätte auch „Paaaaapa“ schreiben können, natürlich. Im Jahr 2020 wird aber wahrscheinlich – leider – doch noch meist nach der Mutter geschrien. Aber darum geht es gar nicht. Sondern darum: In vielen Familien ist es immer nur eine der beiden Personen, die das Kleinkind in seinem Zimmer, an seinem Bett, an seiner Körperseite oder unter seinem Brustkörpchen wissen will, wenn es sich des Abends von der realen Welt trennen muss. Es ist zum Verzweifeln und zwar für beide: Die Einschlafbegleitperson will, aber kann den Job, der irgendwann öd‘ und monoton wird, und für den es trotz später Tageszeit auch keine Sondervergütung gibt, nicht kündigen (da sonst Geschrei droht). Und die verstoßene Person, nun ja, fühlt sich irgendwann derb‘ verstoßen.

Warum diese Einschlafbegeleitung und Einschlafbevorzugung so nervig wie aber leider auch normal ist, und wie ich mich in dieser Situation gefühlt habe, lest ihr übrigens in diesem Blogpost.

Ich war vor wenigen Jahren nämlich bei unserem ersten Kind mal für längere Zeit – damals hätte ich gesagt: seit Eeeewigkeiten! Es wird nie aufhöööören! – die Einschlafbegleiterin. Die „La le lu“ singende Bettkanten-Hostess. Uns war klar, dass Einschlafen bei der Zweitlieblingsperson immer gut klappt, wenn die Maaaaaama gar nicht zuhause ist. Wie mit dem Lieblingsessen: Ist es da, wird nur das gegessen. Steht’s jedoch gar nicht auf der Karte (z.B. Spagetti Napoli beim Chinesen), isst man selbstverständlich was anderes! Doch wollte ich mich ständig verabreden oder nightshoppen? Nein, natürlich nicht. (Und Sport treibe ich übrigens nicht, aber auch wenn, dann würde ich dem nicht jeden zweiten Abend nachgehen wollen.) Ich wollte allzu gerne einfach nur Sofa-Sessions machen, mit Kinderschokolade oder einem zweiten köstlichen Abendessen vor der Glotze. Nichts lag eines Abends näher als ein witziger und logischer Einfall:

Ich muss den Abschied bloß faken!

Und das tat ich. Wir spielten unser „Bin weg“-Fake-Programm eine ganze Weile sehr erfolgreich ab, bis nach einem Jahr oder so die sensible Zubettgehphase unseres Klopsmeisters wieder vorbei war und es kaum eine Rolle spielte, wer mit ins Zimmer kommt. Für alle, die noch mitten drin stecken, in der Bevorzugungs-Klemme, hier der Ablauf, dessen Timing wichtig ist.

Erhobener Zeigefinger

Die Lieblingsperson traut der anderen Person voller Überzeugung die Übernahme der Bettschicht zu und die Zweitlieblingsperson sich selbst natürlich auch.

Bei Stillkindern muss absolut klar sein, dass das Kind auch ohne Brust auskommen kann. Und auch hier: Ihr müsst davon überzeugt sein.

Und natürlich ist der Trick falsch angesetzt, wenn sich das Kind gerade gegen den Gang ins Bett im Allgemeinen sträubt.

Im Flur: Die Nicht-Lieblingsperson nimmt das Kind in den Arm, während die andere Person Jacke und Schuhe anzieht und den Schlüssel klimpernd in die Jackentasche fallen lässt, Handtasche packt oder ähnliches. Fröhliche Verabschiedung. (Wahrscheinlich ist der Unmut bei der kleinsten Person dieser Runde gerade noch sehr, sehr groß. Das ist okay, denn Abschied nehmen, gerade von der Lieblingsperson, ist nicht einfach. Da darf man schon mal sehr traurig sein und/oder protestieren.)

Der Elternteil, der heute dran ist, trägt das Kind ins Schlafzimmer, während der andere die Wohnungs- bzw. Haustür öffnet (Es muss beim Öffnen bleiben.)

Person mit Kind schließt jetzt die Schlafzimmertür oder geht zumindest in das Schlafzimmer hinein, so dass die Wohnungs-/Haustür und die Wohnzimmertür nicht im Blickfeld sind.

Jetzt die Wohnungstür laut ins Schloss fallen lassen und anschließend mucksmäuschenstill sein.

Dann nur noch leise die Schuhe abstreifen, ins Wohnzimmer huschen, leise die Tür schließen und Glotze anschalten.

Ich war weg und doch nicht weg. Aus dem Kinderzimmer drang natürlich auch kein Geschrei, denn das Lieblingsessen stand heute Abend nicht auf der Karte. 

Image from rawpixel.com

6 thoughts on “Ins Bett bringen – Teil 2: Die „Bin weg“-Fake-Show

  1. Im zeit.de-Artikel (https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2022-02/parenting-hacks-kinder-unterhaltung-erziehung-tipps?) wird dieser Hack besprochen. In den LeserInnen-Kommentaren wird er gut auseinander genommen und von vielen als „Bescheißen“ verstanden. Ich denke, dass viele nicht wissen, dass es hier um ganz kleine Kinder zwischen vielleicht 1 und 3 Jahren geht. In dem Alter kann man Kinder vor dem Zubettgehen noch nicht davon überzeugen. dass ein Elternteil mal eine Auszeit braucht. Als würden die dann dankbar sein, dass man ehrlich zu ihnen ist, nicken und sagen: „Ja, Mutter, das hast du auch mal verdient.“ und dann artig mit dem Vater ins Bett gehen. Und von dem Trick bekommen sie auch nichts mit, also fühlen sie sich auch nicht beschissen. Wenn sie es mitkriegen würden, dass die Mutter doch da ist, dann würden sie sofort ausrasten.
    Vor allem aber hat der Trick nichts damit zu tun, dass man keine Zeit mit den Kindern verbringen wollen würde. Jeder Mensch braucht eine Auszeit für sich selbst, die man unter der Woche als arbeitende Person mit kleinen Kindern erst abends bekommt. Und wenn man sie dann nicht mal bekommt, dann kommt man bald in die Klapse und dann haben die eigenen Kinder bald auch nichts mehr von einem.

    1. Hallo,
      Grundsätzlich glaube ich, dass dieser Trick gut ist.
      Doch leider war es bisher (ohne den Trick bislang ausprobiert zu haben) immer so, wenn die Mama abends aus war, der Abend für mich zur endlosen Hölle wurde. Unsere kleine schreit, stößt mich weg und ruft die ganze Zeit „Mama kommt gleich?!“. Selbst wenn es bis 23:00 geht, bleibt sie wach und steigert sich rein ohne dass ich die Chance habe sie zu beruhigen. Außer ich sage wir gehen raus und suchen Mama, dann geht sie mit mir, aber schläft nicht ein im Kinderwagen oder Hänger vom Fahrrad. Ganz nebenbei, tagsüber am Wochenende bin ich die Bezugsperson nr 1 und in der Kita spricht sie auch wohl nur von mir.
      Auf jeden Fall, wenn wir das ganze ausprobieren sollten, würdet ihr sagen die Mama soll sich einfach trotzdem im Wohnzimmer verschanzen und wir müssen das aushalten, oder gibt es da möglicherweise einen anderen Plan?

      Ich sage schon mal danke im Voraus 🙂

      1. Hey Ferdi,

        was du schilderst, hört sich sehr anstrengend an und muss deprimierend für dich sein. Ich hoffe, dass sich die Situation bald normalisiert. Wie alt ist euer Kind? Das mit dem „ist eine Phase“ stimmt tatsächlich und je jünger die Kinder, desto schneller wechseln sich Phasen ab. Oft schleichen sich Dinge, also Verhaltensweise, ein und sind schwer zu durchbrechen. Vor allem dann, wenn man den Auslöser dafür nicht kennt. Dann tröstet das Wissen, dass es auch wieder vorbeigeht.

        Eure Herausforderung scheint auf jeden Fall eine ganz andere zu sein als das Dilemma, das ich in dem Artikel und auch in Teil 1 beschreibe: https://kinderhack.de/ins-bett-bringen-kann-das-denn-nur-die-lieblingsperson-teil-1/
        Mein „Hack“ baut genau darauf auf, dass das Zubettbringen der „anderen“ Person dann klappt, wenn Person A wirklich komplett und ganz aus dem Haus ist (So schreibe ich an einer Stelle: „Uns war klar, dass Einschlafen bei der Zweitlieblingsperson immer gut klappt, wenn die Maaaaaama gar nicht zuhause ist.“). Was aber wenn Person A im Haus bleiben und dennoch Baby-frei haben möchte? Dafür ist diese Idee.

        Bei euch ist jedoch genau dies nicht der Fall – dass das Zubettbringen klappt, wenn Person A weg ist, daher ist es wohl leider auch kein Hack für euch. Was mir echt leid tut!

        Auf jeden Fall scheint es eine Verlustangst zu geben, euer Kind scheint sich zu fragen: Könnte es sein, dass Mama nicht von alleine wiederkommt? Ich glaube, dass so eine Angst manchmal durch eine für uns Erwachsenen banale Situation ausgelöst werden kann, die aber fürs Kind entscheidend war (nur eine Vermutung von mir, kein Fachwissen). Anders kann ich es mir nicht erklären, dass eins unserer Kinder mal eine Zeit lang (ein halbes Jahr lang) absolute Angst hatte, abgegeben zu werden. Sogar bei besten Freunden, bei denen es vor dieser Phase gerne ohne Anwesenheit von uns Eltern den ganzen Tag gern gespielt hat, wollte es nicht mehr sein. Plötzlich war da eine Trauma-artige, derbe Angst, irgendwo ohne Eltern zu sein. Ein Auslöser war uns nicht bewusst, plötzlich fing es an einem Nachmittag an, an dem es zum Freund gehen sollte. Nach ca. 7 Monaten war der Spuk ganz plötzlich vorbei.

        Wie geht denn eure nächtliche „Suche“ nach der Mutter immer aus? „Findet“ ihr sie dann auch, also fahrt ihr so lange rum, bis sie von ihrer Verabredung wieder aufkreuzt und euch entgegen kommt? Vielleicht hat sich das ja im Kopf eures Kindes verfestigt hin zur Denke: „Wir müssen sie suchen, damit sie wieder auftaucht.“ Jedenfalls scheint es so, als sei euer Kind sehr unsicher, ob die Mutter überhaupt wieder kommt, wenn man nichts tut.
        Ich fragte mich beim Lesen auch, was passiert, wenn DU mal ausgehst. Ist es dann genauso, nur anders herum?

        Es tut mir leid, dass ich leider keine Lösung für euch habe. Ich finde aber, dass es ein super Thema für Katia Saalfrank und den Familien-Podcast wäre. Vielleicht habt ihr ja Lust, das einzusenden?

        LG Ines

  2. Hallo Ines,
    zunächst einmal vielen Dank für die tollen zwei Blog-Artikel! Wir haben den Hack die beiden letzten Abende getestet und es hat wirklich super geklappt. Nun stellt sich mir folgende Frage: Wie erreichen wir bestmöglich den Zustand, dass wieder beide Elternteile unsere Kleine OHNE den Trick ins Bett bringen können? Hast Du da Erfahrung damit, wie sich das wieder ,,Einschleifen,, lässt? Oder sollten wir jetzt besser, wenn wir uns mit dem Zu-Bett-Bringen abwechseln wollen, jeden 2. Tag den Trick anwenden? Löst sich diese Phase irgendwann von alleine und wenn ja woran merken wir es am Besten? Vielen Dank bereits im Voraus und LG, Philipp

    1. Hallo Philipp,
      ich war leider länger nicht mehr unterwegs gewesen. 🙁
      Es freut mich, dass der Hack auch bei euch klappt!
      Wie so vieles, ist das bei uns wirklich „einfach so“ weggegangen. In erster Linie ist der Hack natürlich erstmal etwas für die sofortige Entlastung der Lieblingsperson. Aber vielleicht hat dieser Trick zudem auch dabei geholfen, dass überhaupt der Partner dadurch öfter „ran durfte“ und sich Partner und Kind beim Zubettgehen eingrooven konnten.

      Gute Idee wäre vielleicht, wenn auch tagsüber die Zweitlieblingsperson vielleicht auch etwas mehr exklusive Qualitätszeit (ohne die Lieblingsperson) mit dem Kind verbringt. Das macht viel mit der Bindung.

      Aber vielleicht seid ihr ja jetzt nach zwei Monaten auch schon aus der Phase wieder raus?

      LG Ines

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