Kinderhack

Ins Bett bringen – Teil 1: Kann das denn nur die Lieblingsperson?

Elternteil bringt Kind ins Bett.
Kind schläft nur bei Mama ein? Warum bloß, und: Kann man das nicht stornieren und umtauschen gegen ein Flex-Abo? Mal Mama, mal Papa? Letzterer würde auch gern mal vorlesen, Erstere kann hingegen den Grüffelo und zehn andere Bücher schon auswendig.

„Nee, er schläft nur bei mir ein, sonst schreit er.”

So oder so ähnlich klingt eine ganz typische Aussage, die man oft von Eltern zu hören bekommt. Oder selbst oft von sich gibt, seit man Teil der Eltern-Society geworden ist. 

Kinder und Einschlafen, eine neverending story, die uns Eltern mürbe macht (Meine Kinderhack-Kollegin Bianca beklagte erst kürzlich ihr Leid). Und in vielen Familien wächst mit jedem Zubettbringen die Überzeugung, dass man der zum Leid gewordenen Abendsituation verdammt noch mal nicht entkommen kann: Nur ein Elternteil darf das Kind ins Schlafzimmer tragen – anno 2020 dürfte das in den Familien nur allzu oft noch die Mutter sein – bei dem oder der anderen gibt es Geschrei. 

Warum machen Kinder das bloß? Wollen stundenlang in den Schlaf begleitet werden und suchen sich dann auch noch eine nie wechselnde Lieblingsperson aus? Im Ranking der Lieblings-Beschäftigungen taucht die tägliche Kinderzimmertour indes bei der auserkorenen Person irgendwann nicht mehr auf. Kein Wunder, denn für sie bedeutet das: Vor 22 Uhr keine Quality Time für sich selbst. Kein Netflixen, kein Nähen, kein Naschen. Jeden Abend Bettkantensitzen, ohne Ablöse! Und so ist das und wird es lange Zeit bleiben. Oder?

Bloß nicht! Denn es geht auch anders. Packt eure Schokobons und das Bierchen schon mal in die Kühltruhe und rückt die Sofakissen zurecht. Alles, was ihr sonst noch braucht, sind Jacke, Schuhe und Schlüssel. Hä?

Später mehr zu dem Quatsch. Erstmal zwei wichtige (bindungs- und bedürfnisorientierte) pädagogische Erkenntnisse vorweg, die zum Verständnis, warum das so (normal) ist, wichtig sind:

Erstens: Das kleine Kind braucht euch, um einschlafen zu können

Manche Megazufriedenen und die Konditionierten schlafen zwar allein ein, viele aber eben nicht. Der Grund ist evolutionsbiologisch gesehen raffiniert eingerichtet: Das wehrlose Wesen stellt sicher, dass es nicht gefressen wird. Wir haben eine höchst zivilisierte Welt um unser sehr altes Genom herum errichtet, das von dieser gefahrlosen Welt leider noch nicht so wirklich etwas mitbekommen hat. Bleibt also bei eurem Kind, wenn es schlafen will und nach euch verlangt, denn sonst steht es Todesängste durch.

Zweitens: Die Bindungspyramide

Haben wir das verstanden, fragen wir uns natürlich, ob sich das Kind dann nicht wenigstens mal abwechselnd von den Elternteilen ins Bett bringen lassen kann. Wenn das bislang nicht geklappt hat, könnt ihr’s vergessen, hier was zu erzwingen. Wird nicht funktionieren! Zumindest nicht, solange die Lieblingsperson anwesend ist. Denn es gibt hier die felsenfeste Bindungspyramide, die sich nicht zertrümmern lässt (und die von Pädagogin Katia Saalfrank in dem von mir sehr geschätzten „Familienrat“-Podcast in dieser Folge sehr anschaulich erklärt wird). Kinder nehmen ihre Eltern als erste und zweite Bindungsperson wahr, wobei sie in sehr intimen oder sensiblen Situationen meist die erste Bindungsperson zu sich heranholen. Es sei laut der Ex-Fernseh-Pädagogin wie mit dem Lieblingsessen: Wenn ich zwei Essen zur Auswahl habe und das Lieblingsessen steht vor mir, werde ich immer das Lieblingsessen nehmen und das zweite stehen lassen.  Das Lieblingsessen darf also abends einfach nicht auf der Speisekarte stehen. Du musst dich verabreden, Termine haben, das Haus verlassen. 

Aber will man immer weg sein?

Als ich damals bei unserem Klopsmeister, als er ein-zwei Jahre alt war, die Situation in dieser Hinsicht geblickt hatte, war ich trotzdem noch sauer, weil ich doch nicht ständig rausgehen wollte. Ja, ich war von uns Eltern das Lieblingsessen. Ich googelte viel: „Kind schläft nur bei Mama ein“, und derlei Verzweiflungsphrasen. Ich sehnte mich nach Abhängen im Wohnzimmer, nach Daddeln am Computer, nach Kramen und Sortieren, nach Küchensession und Fressorgie for one. Während er mit dem Kind in der Dunkelheit des Zimmers abhängt, er Grüffelo vorliest und er anschließend beklettert und belabert wird, bis die Regungen des Kindes immer seltener werden, die Erlösung naht, und damit leider auch die eigene Müdigkeit. Was auch immer der freie Abend an außerkindlichen Aktivitäten für mich bereit hielte, ich wollte dafür nur nicht ständig nach draußen in die kalte Nacht, wenn kein besonderes auswärtiges Freunde-Besäufnis anstand.

Nichts lag in dieser Not näher als ein großer, aber moralisch-korrekter Betrug am Kind… Ihr ahnt es vielleicht und im nächsten Teil erfahrt ihr, was wir gemacht haben und was das mit den oben erwähnten Utensilien auf sich hat.

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